Die Königstraße ist seit über 200 Jahren Stuttgarts Pracht-, Flanier- und Ausgehmeile. Kaum war Friedrich von Württemberg im Jahre 1806 vom Herzog zum König erhoben, befahl er, die Straße vom zentralen Schlossplatz zum Königstor anzulegen. Das Tor vor dem heutigen Hauptbahnhof verschwand übrigens erst 1922, als der Verkehr vor Stuttgarts neuem Wahrzeichen ungestört rollen sollte.
Am Rand von Wolfgang Freys Modellanlage mündet die Thouretstraße in die Königstraße. Aus Platzgründen fehlt im Modell der beliebte Pusteblumenbrunnen. Auch die angrenzenden Gebäudefassaden wurden Anfang der 2000er modernisiert, die Bäume sind größer geworden, insgesamt ein friedliches Bild.
Doch die Königstraße erlebte auch bewegte Zeiten. Beispielsweise kam es 1948 zu den sogenannten „Teuerungs-Unruhen“, als hier rund 100.000 Menschen gegen hohe Lebensmittelpreise protestierten, und nach einem Auftritt des Rock’n’Rollers Paul Würges im Jahr 1957 randalierten Jugendliche („Halbstarke“). Zumeist strömten die Menschen jedoch zusammen, um entweder das legendäre Kino Universum zu besuchen oder nach dessen Abriss 1972 im Warenhaus Kaufhof (heute: Galeria) dem Konsum zu frönen.
Wo sich heute ein Hochhaus erhebt, stand bis 1960 der Marstall, die königlichen Pferdeställe. In dem 300 Meter langen Gebäude versorgten Bedienstete rund 400 Pferde. Beispielsweise vor Kutschen gespannt, brachten sie den König und seinen Hofstaat auf Trab.
Nach 1918 zogen die Pferde, nebenbei das Wappentier der Stadt Stuttgart, aus und Einkaufsläden sowie ein Hotel fanden hier Platz. Der Innenhof wurde mit einem Kino zugebaut. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg blühten hier die kleinen Läden in der „Wirtschaftswunder“-Zeit der 1950er. 1960 ließ das Unternehmen Hertie das historische Gebäude für ein neues Kaufhaus abreißen.
Ein schlankes Hochhaus des Architekten Hans Paul Schmohl gehört dazu, das wie eine verkleinerte Version des berühmten Pirelli-Hochhauses in Mailand wirkt. Über Jahrzehnte verwöhnte hier das luxuriöse Schlossgarten-Hotel seine gutzahlenden Gäste, ehe es 2022 wegen Renovierungen schloss. Rundum erneuert wird es voraussichtlich ab 2027 wieder öffnen.
Du befindest dich hier im Erdgeschoss des ehemaligen „Hindenburgbaus“. Nachdem der Stuttgarter Hauptbahnhof 1922 teilweise fertig war, sollte ein vorzeigbares Gebäude direkt gegenüber entstehen. Doch wurden von den geplanten sieben Stockwerken bis 1928 nur drei gebaut.
Stattdessen holte man in Stuttgart die Sterne von Himmel – ein wenig zumindest. Im Mai 1928 eröffnete in einem Kuppelsaal auf den „Hindenburgbau“ ein damals hochmodernes Planetarium. 450 Menschen konnten sich hier gleichzeitig Sternbilder erklären lassen, die ein Projektor der Marke Zeiss an die Kuppeldecke strahlte.
Das Planetarium wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Erst 1977 konnte Stuttgart wieder „Sterne schauen“ gehen. In einer modernen Stahl-Glas-Pyramide an der Stadtbahnhaltestelle „Staatsgalerie“ ist seitdem das Planetarium der Stadt untergebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der „Hindenburgbau“ zunächst auf fünf, später auf sieben Stockwerke. Seinen offiziellen Namen verlor er 2010: Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler und war auch sonst kein großer Freund der Demokratie gewesen. Um ihn nicht weiter zu ehren, beschloss der Stuttgarter Gemeinderat, Hindenburg von der Ehrenbürgerliste zu streichen. Der damalige Besitzer des „Hindenburgbaus“ tat es der Stadt gleich und der Name wurde von der Fassade entfernt.
Der verkehrsumtoste Platz vor dem Hauptbahnhof ist nach Arnulf Klett benannt. Als erster Oberbürgermeister nach 1945 stand er Stuttgart bis 1974 vor. In seine Zeit fiel der moderne Wiederaufbau der stark zerstörten Metropole. Mit breiten Bundesstraßen und zahlreichen Abrissen alter Gebäude sollte die Idee der „automobilgerechten Stadt“ verwirklicht werden, in der PKW Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmenden haben. Die Straßenbahn war einigen Planern dabei ein Dorn im Auge und der Vorschlag einer U-Bahn wurde in den 1960er Jahren diskutiert. Anfang der 1970er Jahre wurde die Untere Königstraße zur Großbaustelle: Die Straßenbahn (liebevoll auch „Strampe“ genannt) bekam einen Tunnel, die Straße darüber wurde zu einer der längsten Fußgängerzonen Deutschlands umgestaltet.
Unter dem Arnulf-Klett-Platz entstand eine unterirdische Haltestelle für die zahlreichen Linien, die sich hier begegnen. Neben den modernen Stadtbahnzügen fahren noch immer historische Straßenbahnen nach Fahrplan. Sie bringen dich hoch zum berühmten Fernsehturm sowie zum Straßenbahnmuseum in Bad Cannstatt. Für alle Eisenbahnbegeisterte ein Muss!
Literatur & Links
Uwe Bogen: Stuttgart-Album zum Marstall-Areal. So sah die untere Königstraße früher aus, in: Stuttgarter Zeitung 14.10.2021, URL: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-album-zum-marstall-areal-so-sah-es-in-der-unteren-koenigstrasse-frueher-aus.c892b363-3721-4f69-9394-f7257f7220e5.html [zuletzt: 20.05.2025]
Harald Schukraft: Stuttgarter Straßen-Geschichte(n), Stuttgart 1986, S. 85–101
Werner Skrentny u.a. (Hgg.): Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart, Tübingen 2011, 5. Aufl., S. 17-20