Der Schlossgarten, der sich auf über drei Kilometern vom Neuen Schloss in der Innenstadt bis zum Neckar erstreckt, ist die „Grüne Lunge“ der Landeshauptstadt. Hier gehören Spazieren, Radeln, Picknicken, Grillen, Feiern, Entspannen und viel mehr zum Alltag.
Lange Zeit war es lediglich dem Herzog von Württemberg, seiner Familie und ausgesuchten Gästen vergönnt, das üppige Grün zu genießen.
Seit 1806 ist der Schlossgarten für das Volk geöffnet. Rund 200 Festungsgefangene, Soldaten und später Tagelöhner schufteten bis 1818 an den Erweiterungen der Anlage. Die Parkordnung war zunächst sehr streng: Singen und Lärmen waren untersagt, das Tragen von großen Koffern ebenso; und wer hier zeichnen, malen und fotografieren wollte, brauchte eine königliche Erlaubnis.
Der gesamte Schlossgarten ist ein Spiegel historischer und moderner Gartenbaukunst. Zwei Bundesgarten- schauen (1961, 1977) und eine Internationale Gartenausstellung (1993) haben dem Schlossgarten in der jüngsten Zeit ihren Stempel aufgedrückt.
Die Rossebändiger-Gruppe, zwei Statuen aus italienischem Marmor, hatte der Hofbildhauer Ludwig Hofer geschaffen. Sie stehen seit 1847 im Mittleren Schlossgarten, direkt neben der heutigen Wolframstraße. An die Sockel der häufig besuchten Statuen schrieb der 17-jährige Antifaschist Hans Gasparitsch im Jahr 1935 die Parolen „Hitler = Krieg“ und „Rot Front“. Er wurde verhaftet, im Zuchthaus und später in verschiedenen Konzentrationslagern eingesperrt.
Der Bau des neuen Hauptbahnhofs (HBF) und seiner Gleisanlagen veränderte das Gesicht des Schlossgartens und seiner Umgebung radikal. Dabei standen die Ingenieure der Königlich-Württem- bergischen Staats-Eisenbahnen vor einer großen Herausforderung: Der Baugrund verteilte sich über verschiedene Höhenmeter, Gleise mussten auf unterschiedlichen Ebenen verlaufen und sich kreuzen, ohne sich in die Quere zu kommen. Drei Bahnstrecken mussten zusammengefasst werden, die von Zuffenhausen, Bad Cannstatt sowie vom Westbahnhof (Gäubahn) zum HBF führen sollten.
Eine Lösung waren die sogenannten Überführungsbauwerke: Dabei handelt es sich um ein System von Rampen, Stahlbetonbrücken und Galerien, die auf einer Länge von 600 Metern und einer Höhe von bis zu 12 Metern regelrecht verwoben sind. 21 Gleise befinden sich in diesem „Gleisgebirge“ auf der Höhe des ehemaligen Milchhofs an der Rosensteinstraße. Weitere solche Bauten finden sich in der Nähe des Nordbahnhofs. Eine beachtliche Leistung der damaligen Ingenieure und Arbeiter, deren Bauwerke über 100 Jahre später noch zuverlässig ihren Zweck erfüllen.
Nach der Eröffnung des neuen Stuttgarter Tunnel-Hauptbahnhofs in den kommenden Jahren werden die oberirdischen Gleise nicht mehr gebraucht. Auf den freigewordenen Flächen (85 Hektar = 119 Fußballfelder) möchte die Stadt Stuttgart den neuen Stadtteil Rosensteinquartier bauen lassen. Hier sollen bis zu 5.700 Wohnungen entstehen, auch der Schlosspark soll um 35 Hektar wachsen. Die Überführungsbauwerke stehen mittlerweile unter Denkmalschutz und werden in den neuen Stadtteil als Zeugen vergangener Technik und Baukunst eingefügt.
Literatur & Links
Info-Laden Stuttgart 21 „Auf der Prag“ / Architektenkammer Baden-Württemberg: DER STUTTGARTER GLEISBOGEN. Urbane Landschaft und Kulturdenkmale im Vorfeld des Hauptbahnhofs. Geschichte und Ausblick, online: http://infoladen-rosenstein.de/wp-content/uploads/2019/12/der-stuttgarter-gleisbogen_expo.pdf [zuletzt 20.05.2025]
Josef Klegraf (Hg.): Der Stuttgarter Gleisbogen. Urbane Landschaft und Kulturdenkmale im Vorfeld des Hauptbahnhofs – Geschichte und Ausblick, Stuttgart 2014
Roland Müller: Hans Gasparitsch (1918-2002), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart, URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/f70d1455-f0c0-472a-a8b0-4c8b0921d165/1/Hans_Gasparitsch_%281918-2002%29.html [zuletzt 20.05.2025]
Werner Skrentny u.a. (Hgg.): Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart, Tübingen 2011, 5. Aufl., S. 123-127